Gliom-Studien sollten die Sicht der Patienten berücksichtigen
Die Ziele der Gliomstudien konzentrieren sich traditionell auf die Verlängerung der Lebenszeit und die Verkleinerung des Tumors. Die Deutsche Hirntumorhilfe fordert seit vielen Jahren ein Umdenken: Studienziele sollten um von Patienten selbst berichtete Ergebnisse, sogenannte Patient-reported Outcomes (PRO) ergänzt werden.
Das Argument: Patient-reported Outcomes tragen wesentlich dazu bei, den Unterstützungsbedarf der Patientinnen und Patienten besser abschätzen zu können. Dies ist deshalb so wichtig, weil sich eine reduzierte Lebensqualität der Betroffenen häufig durch gezielte Unterstützungsangebote verbessern lässt. Ein regelmäßiges PRO-Monitoring kann darüber hinaus die Überlebenszeit verlängern, zum Beispiel weil ein Fortschreiten der Erkrankung frühzeitig erkannt wird.
Nun ist in der Fachzeitschrift The Lancet Oncology ein Übersichtsartikel der RANO-Gruppe erschienen, der die Festlegung von an PRO orientierten Endpunkten sowie die Bedeutung der Überwachung der Lebensqualität in allen Gliomstudien betont. Die RANO-Gruppe ist eine internationale Arbeitsgruppe zur Bewertung des Therapieansprechens in der Neuroonkologie.
Die Forscher haben einen Katalog von Symptomen und funktionellen Problemen erarbeitet, der ihrer Meinung nach in klinischen Studien und in der klinischen Versorgung von Patienten mit hochgradigen Gliomen angewendet werden sollte. „Patienten möchten länger leben, aber sie möchten auch so lange wie möglich so gut wie möglich funktionieren", sagt Dr. Terri S. Armstrong vom National Cancer Institute (NCI) und einer der Autoren des Artikels.
Zu den Symptome, die es wert sind gemessen zu werden, gehören fünf Kategorien: Schmerzen, Kommunikationsschwierigkeiten, kognitive Funktionen (Lernen, Gedächtnis, logisches Denken usw.), epileptische Anfälle und Nebenwirkungen, die für den Patienten von Bedeutung sind. Die funktionellen Probleme wurden in zwei Kategorien unterteilt: die körperliche Funktionsfähigkeit, einschließlich Schwäche oder Gehen, und die Rollenfunktion, die als Fähigkeit zur Arbeit oder zur Teilnahme an sozialen oder Freizeitaktivitäten definiert ist.
Laut der Autoren könnten einige dieser PROs herausfordernd oder mühsam zu ermitteln sein. So habe Schmerz viele Dimensionen, dennoch sei es wichtig, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken. Auch die Einschätzung der Sprachfunktion durch die Patienten sei wichtig, aufgrund der möglichen Spezifität in Bezug auf die Lage des Tumors ist diese Variable für die Einschätzung der Therapie aber problematisch. Die Erhebung von Daten zu Häufigkeit und Schweregrad von epileptischen Anfällen ist bedeutend, wegen der Vielfalt der Anfälle und des Unterschieds zwischen fokalen und generalisierten Anfällen aber kompliziert. Die Beurteilung der kognitiven Funktion kann langwierig und belastend für die Patienten sein. Nebenwirkungen, die für die Patienten von Bedeutung sind, variieren in Abhängigkeit der verabreichten Medikamente und eingesetzten Behandlungsmethoden, deren Wirkungsmechanismen und den verfügbaren Daten, wobei die Möglichkeit einer Überschneidung mit krankheitsbezogenen Symptomen berücksichtigt werden muss, so der Bericht.
Hinsichtlich funktioneller Probleme sollte die körperliche Funktionsfähigkeit, einschließlich Schwäche und Gehen, bewertet werden. Darüber hinaus wäre es nützlich, die zeitliche Dauer zu unterscheiden, in der Patienten in späteren Stadien ihres Krankheitsverlaufs Defizite in der körperlichen Funktionsfähigkeit aufweisen. Die soziale Rolle und die Funktionsfähigkeit sollten bei den meisten Patienten mit hochgradigen Gliomen bewertet werden, die Symptome und Defizite zeigen, aufgrund derer eine Rückkehr an den Arbeitsplatz verhindert wird. „Diese Patienten könnten einen erheblichen Teil ihres Lebens damit verbringen, sich krank zu fühlen, unfähig zu sein, gewöhnliche Aktivitäten zu verrichten oder berufliche, soziale, finanzielle und familiäre Verpflichtungen zu erfüllen", so Dr. Armstrong in dem Bericht.
Die nächsten Schritte werden darin bestehen, herauszufinden, wie Symptome und funktionelle Probleme mit typischen primären Endpunkten von Gliomstudien – Zeit bis zum Rezidiv oder Gesamtüberleben – übereinstimmen.
Auch wenn sich die Arbeit spezifisch auf Gliome bezieht, spiegelt sie doch die Ergebnisse breiter angelegter Initiativen wider, die darauf abzielen PROs in allen onkologischen Untersuchungen zu standardisieren.
Quelle: Armstrong TS et al. Lancet Oncol. 2020;21(2):e97-103.
DOI: doi.org/10.1016/S1470-2045(19)30796-X
© 06.03.2020 mst, Deutsche Hirntumorhilfe e.V. | www.hirntumorhilfe.de