News - Lebensqualität bei ketogener Diät
Ketogene Diät und Kurzzeitfasten bei Glioblastompatienten
Die prospektive, randomisierte ERGO2-Studie untersuchte die Wirkung einer kalorienreduzierten ketogenen Diät mit intermittierendem Fasten (KD-IF) auf eine erneute Bestrahlung bei Patienten mit einem Glioblastomrezidiv. Der primäre Endpunkt der Studie, die Verbesserung des progressionsfreien Überlebens im Vergleich zur Standarddiät (SD), wurde nicht erreicht, worüber bereits 2020 berichtet worden ist. Die nun veröffentlichte Nachbeobachtung umfasst die Untersuchung der Lebensqualität der Patienten, deren kognitive Fähigkeiten sowie die Zusammensetzung von Serumproben.
In der ERGO2-Studie wurden 50 Patienten im Verhältnis 1:1 randomisiert und erhielten entweder eine Re-Bestrahlung in Kombination mit SD oder mit KD-IF. Das KD-IF-Programm umfasste eine dreitägige ketogene Diät, gefolgt von drei Tagen Fasten und erneut drei Tagen ketogener Diät. Während der Tage mit ketogener Ernährung war die tägliche Kalorienzufuhr auf 21-23 kcal/kg, die tägliche Kohlenhydratzufuhr auf 50 g begrenzt. Für die Patienten in der SD-Gruppe wurde eine tägliche Kalorienzufuhr von etwa 30 kcal/kg erwartet.
Die Patienten wurden gebeten, an den Tagen 1-12 ein Ernährungstagebuch auszufüllen. Zu Beginn, am Tag 6, am Tag 12 und einen Monat nach der Strahlentherapie wurden die Patienten neurologisch untersucht, das Körpergewicht gemessen und u.a. der Karnofsky-Performance-Score und der EORTC-Fragebogen zur Lebensqualität ausgewertet. Zu Beginn der Studie, am Tag 6 und am Tag 12 wurden Blutproben entnommen und Serumanalysen u.a. von Harnstoff, Harnsäure, Insulin und Leptin durchgeführt.
20 Patienten nahmen erfolgreich an der KD-IF-Gruppe teil und erreichten die vorgegebenen Ziele der Kalorien- und Kohlenhydratbeschränkung. Bei der Analyse der Serumproben wurden ein erheblicher Rückgang von Leptin und Insulin sowie ein Anstieg der Harnsäure beobachtet. Weder die Lebensqualität der Patienten noch die kognitiven Fähigkeiten wurden durch die Diät beeinträchtigt.
Bemerkenswert ist, dass auch die SD-Gruppe mit täglich 21 kcal/kg statt 30 kcal/kg eine geringere Kalorienzufuhr aufwies, als erwartet. Aufgrund dieser unerwartet reduzierten Kalorienaufnahme der SD-Gruppe erreichte der Unterschied zwischen den sechs Tagen ketogener Diät (1. und 2. Phase der KD kombiniert) und der durchschnittlichen Kalorienaufnahme der SD-Gruppe keine statistische Signifikanz (KD-IF ketogene Diättage: 17,1 ± 5,5 kcal/kg, SD: 20,6 ± 8,8 kcal/kg/d, p = 0,1). Beim Vergleich der mittleren Kalorienzufuhr aller neun Tage, einschließlich der Fastentage in der KD-IF-Gruppe, ergab sich jedoch ein großer und statistisch signifikanter Unterschied (KD-IF: 12,1 ± 8,6 kcal/kg, SD: 20,6 ± 8,8 kcal/kg/d, p < 0,01). Der Unterschied in der mittleren Kohlenhydratzufuhr war statistisch signifikant, wenn man die neun Tage der KD-IF-Diät mit 28 ± 14 g/d und der SD-Diät mit 208 ± 79 g/d vergleicht (p < 0,01).
Im ersten Ergebnisbericht über die ERGO2-Studie wurde kein signifikanter Unterschied beim progressionsfreien Überleben (PFS6 als primärer Endpunkt) und beim Gesamtüberleben (OS) in der Intention-to-treat-Kohorte berichtet. Die Daten für die Auswertung wurden im Januar 2019 gesperrt. Bei der Analyse der reiferen Daten mit Datensperre im April 2020 gab es keine Veränderung der Ergebnisse. Das mittlere PFS und OS zeigten nach wie vor keinen signifikanten Unterschied. Ungeplante Subgruppenanalysen für Glukose an Tag 6 (medianes Glukoselevel 83,5 mg/dl) hatten bereits im ersten Bericht ein längeres mittleres PFS für Patienten mit Glukosespiegeln unterhalb des Medians in der KD-IF-Gruppe ergeben. Auch dies blieb in dem aktualisierten Datensatz unverändert.
Um eine Hypothese aufzustellen und mögliche Serummarker für künftige Studien zu ermitteln, wurden die besten Responder der gemäß Protokoll behandelten KD-IF-Gruppe analysiert (n = 20 Patienten). Die besten Responder wurden als Patienten mit einem PFS von mehr als 100 Tagen definiert, ohne dass andere spezifische statistische Überlegungen angestellt wurden. Der Verzerrung durch die Analyse nach Respondern war man sich bewusst (bspw. potenzielle Identifizierung von Patienten, die zu Beginn der Studie eine bessere Prognose hatten). Das Profil der besten Responder zeigt eine nicht signifikant bessere diätetische Reaktion auf die Intervention mit niedrigerem Glukosegehalt, höherer Ketose und geringerer Kalorien-/Kohlenhydratzufuhr während der Fastenzeit. Zu beachten ist, dass die besten Responder eine höhere Methylierungsrate des MGMT-Promotors, keine Vorbehandlung mit Bevacizumab und weniger Behandlung mit Dexamethason aufwiesen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die festgelegten Ziele für die Kalorien- und Kohlenhydratbeschränkung sowie die Fastenzeit von den Patienten mit Glioblastomrezidiven ohne negative Auswirkungen auf die Lebensqualität eingehalten werden konnten. Der kurze Diätplan führte bereits zu signifikanten metabolischen Veränderungen, was darauf hindeutet, dass kurzfristige diätetische Interventionen therapeutisch nützlich sein könnten, möglicherweise in Kombination mit anderen Modalitäten. Die unerwartet niedrigere Kalorienzufuhr in der SD-Gruppe könnte die Interpretation der Studie beeinträchtigt haben.
© 07.09.2021 mst, Deutsche Hirntumorhilfe e.V. | www.hirntumorhilfe.de
Quelle
Voss M, Wenger KJ, von Mettenheim N, Bojunga J, Vetter M, Diehl B, Franz K, Gerlach R, Ronellenfitsch MW, Harter PN, Hattingen E, Steinbach JP, Rödel C, Rieger J. Short-term fasting in glioma patients: analysis of diet diaries and metabolic parameters of the ERGO2 trial. Eur J Nutr. 2021 Sep 6. doi: 10.1007/s00394-021-02666-1. Epub ahead of print. PMID: 34487222.
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