Medulloblastom
Medulloblastome sind embryonale Tumoren des Kleinhirns. Sie treten meist im Kindesalter auf. Es handelt sich bei ihnen um maligne Tumoren, die infiltrativ ins umliegende Gewebe einwachsen.
Histologie
- hochmaligner Tumor des WHO-Grades 4 aus embryonalen neuroektodermalen Gewebe, also demselben Gewebe, aus dem sich das Gehirn und Nervensystem entwickeln
- Die Einteilung der Medulloblastome erfolgt nach Histologie und Molekularbiologie in 5 bzw. 4 Subtypen:
- nach Histologie (in Klammern: Häufigkeit): klassische Medulloblastome (70 %), desmoplastisch noduläre Medulloblastome (15 %), großzellig-anaplastische Medulloblastome (10 %), melanotische Medulloblastome und Medullomyoblastome
- nach Molekularbiologie: WNT-aktiviert, SHH-aktiviert, Gruppe 3 (nonWNT/non-SHH) und Gruppe 4 (non-WNT/non-SHH)
- WNT und SHH sind bestimmte Signalwege, die in den jeweiligen Subtypen des Tumors aktiviert sind. Dies hat u.a. Konsequenzen für die Therapie
Epidemiologie
- jährlich erkranken etwa 6 von 1.000.000 Kindern an einem Medulloblastom. Erwachsene sind sogar noch 10-Mal seltener betroffen
- Medulloblastome machen bei Kindern und Jugendlichen etwa 20 %, bei Erwachsenen nur 1 % der Hirntumoren aus
- Epidemiologie variiert abhängig von der Molekularbiologie:
- WNT(-Signalweg)-aktiviert: ca. 10 % aller Medulloblastome, typischerweise Kinder ab 4 Jahren und Jugendliche, beide Geschlechter gleichermaßen betroffen
- SHH (sonic-hedgehog-Signalweg)-aktiviert: ca. 30 % aller Medulloblastome, sowohl Kinder als auch Erwachsene, beide Geschlechter gleichermaßen betroffen
- Gruppe 3: ca. 25 % aller Medulloblastome, fast ausschließlich Babys und Kinder, männliches Geschlecht doppelt so häufig betroffen
- Gruppe 4: ca. 35 % aller Medullobastome, Kinder und Jugendliche, männliches Geschlecht dreimal häufiger betroffen
Symptome
- Bewegungs- und Koordinationsstörungen
- Zittern bei zielgerichteten Bewegungen (Kleinhirn-Symptome)
- Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Schläfrigkeit, ggfs. Sehstörungen (Hirndruck-Symptome)
Diagnose
- CT oder MRT mit Kontrastmittel
- klinische Symptome
- typische Lage im Kleinhirn, Einwachsen in dem 4.Ventrikel möglich
- heterogene Kontrastmittelaufnahme, häufig Zystenbildung
- scharf umgrenzte Läsion, häufig Einblutungen und Nekrosen
- Liquoruntersuchung und MRT des Rückenmarks, um mögliche Abtropfmetastasen zu finden
Therapie
- möglichst komplette operative Entfernung
- bei Kindern >4 Jahre: anschließende Strahlentherapie, in Einzelfällen auch bei jüngeren Kindern
- Chemotherapie
- eingesetzte Wirkstoffe sind abhängig von verschiedenen Faktoren wie Alter, Ausmaß der operativen Resektion und der Strahlentherapie
- typische Chemotherapeutika sind bspw. Cisplatin, Vincristin und Cyclophosphamid
- abhängig von der Molekularbiologie werden insb. in klinischen Studien aktuell verschiedene Wirkstoffe angewendet, die gezielt in Signalwege der Tumoren eingreifen (bspw. Inhibitoren des SHH-Signalweges)
Rezidiv-Therapie
- wenn möglich erneute Operation
- ggfs. erneute Bestrahlung
- erneute Chemotherapie
Nachsorge
- MRT/CT zunächst aller 3 Monate, danach halbjährlich, später auch jährlich
Verlauf
- abhängig von der molekularen Subgruppe
- WNT-aktiviert: selten Metastasen zum Diagnosezeitpunkt (5-10 %), selten Rezidive, wenn dann lokal oder als Metastase möglich
- SHH-aktiviert: etwas häufiger Metastasen zum Diagnosezeitpunkt (15-20 %), Rezidive v.a. lokal
- Gruppe 3: häufig Metastasen zum Diagnosezeitpunkt (40-45 %), Rezidive v.a. in Form von Metastasen
- Gruppe 4: relativ häufig Metastasen zum Diagnosezeitpunkt (35-40 %), Rezidive v.a. in Form von Metastasen
Prognose
- abhängig von Alter, Tumorgröße, Ausmaß der Tumorentfernung, etwaiger Metastasierung und Molekularbiologie
- WNT-aktiviert: sehr gute Prognose
- SHH-aktiviert: bei Kindern gute Prognose, bei Jugendlichen und Erwachsenen etwas schlechter
- Gruppe 3: schlechteste Prognose der molekularen Subgruppen des Medulloblastoms
- Gruppe 4: mittelgute Prognose
- auch nach 10 Jahren können noch Spätrezidive auftreten
aktualisiert am 25.10.2024